Mehr als zwei Monate nach unserer Rückkehr aus Przemysl finde ich erst die Musse, um das versprochene Resümee zu schreiben. Als erstes ein erneutes Danke an alle unsere Spender*innen – ohne euch hätten wir unseren Einsatz an der ukrainischen Grenze nicht realisieren können.
Von der Idee für die Menschen auf der Flucht zu kochen bis zur Umsetzung dauerte es vier Wochen. Am 1. April brachen wir dann mit verschieden Vorstellungen, Zweifeln und einer Adresse im Gepäck auf. Durch die Hilfe von bereits aktiven Menschen vor Ort konnten wir uns schnell eingliedern und einen Ort finden, wo wir mit dem, was wir planten, den grössten Impact haben würden.
Unsere Wirkungsstätte, das Tesco-Gelände, war gut organisiert, was unsere Arbeit sehr erleichterte. Wir erfuhren vor Ort grosse Unterstützung und Goodwill von anderen Freiwilligen. So getragen, konnten wir die Zeit effektiv nutzen und viele Mahlzeiten verteilen. Auch wenn es uns manchmal vorkam, als wären wir in einem «volunteers heaven“, war es eine anstrengende Zeit. Die nicht abreissen wollenden Flüchtlingsströme und die vielen verschiedenen Menschen mit ihren teils sehr tragischen Geschichten hinterliessen bei uns Spuren.
Vor allem aber beschäftigte die Tatsache, dass nicht alle geflohenen Menschen die gleiche Unterstützung und Hilfe erhielten. Menschen ohne ukrainischen Pass oder gültige Papiere wurden zum Teil fast systematisch schikaniert und daran gehindert, über die Grenze zu gelangen. Aktivist*innen, die sich für diese Menschen einsetzten, wurden als „bad volunteers“ beschimpft und kamen in Konflikt mit Zollbehörden und Polizei. Diese Widersprüche innerhalb der Solidarität beschäftigten uns über die Zeit in Polen hinaus.
Und dann wieder zurück in Bern, wo die anfängliche Empörung und der Schock über die Ereignisse in der Ukraine einer absurden Normalität weichen. Die Bilder aus der Ukraine zieren nicht mehr die Titelblätter und während auf der einen Seite Häuser bombardiert und zerstört werden, wird hier wie verrückt gebaut. Unwichtige Sörgeli von vor dem Kriegsausbruch wachsen wieder zu Sorgen. Die anfängliche Dankbarkeit über den hier herrschenden Frieden und unsere privilegierten Lebensumstände drohen im Alltag unterzugehen.
Und das Leben geht, obschon der Krieg immer noch anhält, «normal» weiter – und das ist vielleicht auch gut so.